Eigenpsychologie

Ich dachte immer, dass es dazu gehört persönliche (kognitive, als auch psychische) Grenzen zu überwinden, wenn man etwas erreichen möchte. Ich dachte man muss innere Mauern durchbrechen, Denk- und Gefühlsdogmen, Angst- und Fähigkeitsbarrieren erklimmen, um wirklich etwas schaffen, etwas bewegen zu können. Ich dachte dies sei nötig um sich aus einem Kreislauf von lebenslangem „Darüberreden“ und lediglichen Träumereien zu befreien und wirklich zur Tat schreiten zu können; um seine Wunschvorstellungen (seien sie idealistischer oder realistischer Natur) in die Wirklichkeit zu transformieren und damit auch seinem eigenen Wunsch-(?)Ich ein Stück näher zu kommen.
Ich dachte ich muss.
Doch verschwendete ich nie einen Gedanken daran ob ich denn auch will. Ich war der Ansicht, dass das Müssen der Preis ist, den ich zu zahlen gezwungen bin. Es war in paradoxer Weise ein wollendes Müssen, dem ich wie ein Jünger folgte, demzuliebe ich der Einsamkeit fröhnte, mich teilegoistisch, aber auch teileigenideologisch in meiner (inneren und äußeren) Welt bewegte und dabei eine innere und manch äußere Stimme zu verachten versuchte, die in unregelmäßigen Abständen zu mir sagte:
„Du entfernst Dich von Dir selbst. Du entfremdest Dein Ich in aktive und energieverbrauchende Vorstellungen, die Deiner Natur zuwider sind und infolgedessen Deine Seele schließlich am Krückstock laufen wird. Finde den Weg zurück!“

Klar. Man wird selbstbewusster, man erlangt neue Stärke, man wird freier, je mehr man sich traut, je mehr man sich selbst überwindet.
Doch nur unter einer Bedingung:

Wenn man will!

Nichts ist fataler als gegen seine Natur zu handeln, gegen seine persönlichen Bedürfnisse und vielmehr seine persönlichen Fähigkeiten, Begabungen - aber auch Schwächen - zu streben.
Eine Überwindung von sich selbst auf der Grundlage eines inneren Zwanges bewirkt nur das alleinige Gegenteil:
Den inneren Zerfraß, die andauernde Unausgeglichenheit und am Ende das zerstörende Unglück.

Zu leben nach eigenen Maßstäben, an die eigene Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten angepasst, ist eine Kunst. Sich dies zuzugestehen noch viel mehr. Und ein Faktor der maßgeblich das Gleichgewicht zwischen Lebensforderungen und -anforderungen durcheinander bringen kann(!) ist der Stolz.
Vor einigen Jahren schnappte ich Worte auf, die ich bis heute vertreten habe:

„Stolz ist Dummheit“.

Heute würde ich den Stolz nicht mehr lediglich als eine Dummheit bezeichnen, sondern vielmehr als einen scheinheiligen Schutz vor dem eigenen Abgrund. Und das ist nicht mehr nur Dummheit, das ist absolut töricht und nur ein bequemer Anpassungsmechanismus an unser Massendasein, während wir unsere Erfolge doch alleine einer Systemzugehörigkeit verdanken. Stolz hat keine Basis, keine Grundlage. Er ist nur Fassade.

Viel essentieller sind, und davon bin ich nun überzeugt, der Respekt und die Aufrichtigkeit vor sich selbst und gleichzeitig das Entsagen von falschen, kalten Anforderungen von außen und den daraus erwachsenden inneren Forderungen an sich selbst, gegen das eigene Gleichgewicht.

In Anlehnung an Goethes Worte:
„Muss denn das so sein, dass das was des Menschen Glückseligkeit macht, wieder die Quelle seines Elends würde?“

möchte ich sagen:

„Muss denn das so sein, dass die Quelle aus Wünschen und Leidenschaften nicht mit einem reisen mag und mancher es so schwer hat den Weg zurück zu ihr zu finden?“

© by Fabian

3 Kommentare:

  1. Diese „Offenbarung“ gefällt mir - gefällt mir sehr…

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  2. Echt gut ausformuliert bzw bewusst gemacht! Du hast vollkommen recht, dass man z.B. vieles macht, weil man denkt es zu müssen, ohne es zu wollen. Erkannt habe ich das auch schon - - doch ändern kann ich wenig dran. Zu lange lebe ich schon so... mit dem unterdrücktem Ich in mir (s.a. Link...)
    Mach´s besser! :)
    Gruß
    Ekki/Tschimmi

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  3. Also, ich muss sagen, ich würde öfter deine Gedankenschublade durchstöbern. Dort kann man einiges finden.

    „Nichts ist fataler als gegen seine Natur zu handeln, gegen seine persönlichen Bedürfnisse und vielmehr seine persönlichen Fähigkeiten, Begabungen - aber auch Schwächen - zu streben.
    Eine Überwindung von sich selbst auf der Grundlage eines inneren Zwanges bewirkt nur das alleinige Gegenteil:
    Den inneren Zerfraß, die andauernde Unausgeglichenheit und am Ende das zerstörende Unglück.“

    Gegen seine eigene Natur zu handeln ist zerstörerisch. Der innere Zwang bewirkt nur Unzufriedenheit und Frust. Mit seinem Ich im Einklang zu leben, ist nicht gerade einfach. Die richtige Methode findet jeder irgendwann, wenn er danach sucht. Die menschliche Psyche ist eine sensible Ansiedlung, bevölkert von Anschauungen, Empfindungen, Erfahrungen. Diese Siedlung ins Minenfeld umzugestalten, könnte fatal enden. Wunschvorstellungen haben unantastbare Grenzen. Wenn man sich erreicht hat, hat man entweder seine Wünsche verwirklicht, oder nicht. Ein Scheitern muss akzeptiert, und nicht als Niederlage gesehen werden.

    „Zu leben nach eigenen Maßstäben, an die eigene Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten angepasst, ist eine Kunst. Sich dies zuzugestehen noch viel mehr.“

    Hier kann ich dir nur zustimmen. :-)

    „Heute würde ich den Stolz nicht mehr lediglich als eine Dummheit bezeichnen, sondern vielmehr als einen scheinheiligen Schutz vor dem eigenen Abgrund...Stolz hat keine Basis, keine Grundlage. Er ist nur Fassade.“

    Stolz ist in der Tat eine Fassade. Es gibt verschiedene Arten von Fassaden. Jeder wählt eine bestimmte Art für sich. Die aber auch erfahrungsbedingt sein kann.
    Ich werde mir deinen Text kopieren, wenn du nichts dagegen hast. Für meine persönliche digitale Bibliothek. :-)

    Gruß A.

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